Früher war es ganz normal, dass mehrere Generationen unter einem Dach lebten. Die Familie bildete die Altersvorsorge: Die Kinder kümmerten sich später um ihre Eltern, wenn diese alt und gebrechlich wurden. In der heutigen Zeit, in der jeder seine eigene Kleinfamilie bildet und in der oftmals beide Partner berufstätig sind, stellt sich mit der stetig steigenden Anzahl der Pflegebedürftigen allerdings die Frage: wohin mit Oma?
Auch Kristin Williams sieht sich mit dieser Frage konfrontiert, als ihre Großmutter an Alzheimer erkrankt, diese aber partout nicht im Pflegeheim bleiben möchte. Doch die US-Amerikanerin fällt eine Entscheidung, wie sie mit eigenen Worten erzählt:
„Ich habe meinen Vollzeitjob gekündigt, um mich um meine 83-jährige Großmutter mit Alzheimer und meinen einjährigen Sohn zu kümmern.
Im Dezember 2017 besuchten meine Mutter und ich meine Großmutter nach ihrem fünften Sturz im Pflegeheim. Meine Oma schaute uns an und fragte, wann sie wieder zurück nach Hause könne. Ich erinnere mich, wie meine Mutter mit Tränen in den Augen die Hand meiner Großmutter nahm und meinte: ‚Noch nicht, Mutter.‘ Meine Mutter, die ihren eigenen Bruder pflegt, wusste, sie wäre nicht imstande, sich auch noch um meine Oma zu kümmern. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen, dass meine Großmutter den Rest ihres Lebens im Pflegeheim verbringen sollte.
Ich hatte gerade meinen Sohn Trace bekommen und überlegte schon die ganze Zeit, ob ich mit ihm zu Hause bleiben sollte. Als ich den Blick in den Augen meiner Mutter und Großmutter sah, wusste ich, dass ich etwas tun wollte. Ich wusste, meinen Job zu kündigen, würde eine finanzielle Last für meine Familie bedeuten. Aber gleichzeitig wäre es solch ein Segen, meine Großmutter zurück zu Hause zu haben. Nach zwei Wochen fällte ich die Entscheidung, sie zurück in ihr Zuhause zu bringen, mit dem Okay vom Arzt.
Ein Jahr später haben meine Oma und ich eine Menge Erinnerungen an Shoppingtrips, Friseurbesuche, Ausflüge und Gespräche über alte Zeiten.
An manchen Tagen ist es schwierig, da meine Oma mehr und mehr an der Vergangenheit festhält als am gegenwärtigen Tag. Wenn ich morgens in ihr Zimmer komme, ruft sie nach ihrer eigenen ‚Mama‘. Wir reden dann über die Erinnerungen, die sie an ihre Mama hat, ich frage sie nach der guten alten Zeit und wohin sie als Nächstes zum Einkaufen fahren möchte, um sie abzulenken.
Ich habe studiert und einen Abschluss in Pflegewissenschaften, weil es schon immer meine Leidenschaft war, mich um andere zu kümmern und einen Unterschied zu bewirken. Ich habe in einer Einrichtung für psychisch Kranke gearbeitet. Ich hatte nicht viel Ahnung von Alzheimer, aber ich liebe meine Großmutter sehr und ich wusste, mit all meiner Liebe und Recherche könnte ich ihren Wunsch erfüllen und sie heimbringen.
Währenddessen hat meine Oma mir so viel mehr beigebracht, als ich jemals aus Büchern hätte lernen können. Familie ist für immer, deine Mama wird immer deine Mama bleiben. Es gibt nichts Erfüllenderes, als in der Lage zu sein, Zeit mit ihr zu verbringen. Auch wenn ihr Gedächtnis verschwindet und wieder zurückkehrt, während die Tage ins Land gehen, verschwindet ihre Liebe nie.
Meine Oma nennt mich manchmal einen Engel, aber sie ist der wahre Engel in meinen Augen.“
Es war keine leichte Entscheidung für Kristin, ihren Job zu kündigen, um ganz für ihre Oma da zu sein. Doch trotz aller Schwierigkeiten hat sie es nie bereut, ihrer Großmutter den letzten Wunsch zu erfüllen – weil sie so viel zurückbekommt.